Elkan Naumburg – ein Treuchtlinger in New York
Was haben der erste Kindergarten in der südfränkischen Stadt Treuchtlingen und der Konzertpavillon im Central Park in New York gemeinsam? Beide wurden von Elkan Naumburg finanziert, dem Musik- und Menschenfreund, der aus Treuchtlingen stammt und in New York ein Vermögen gemacht hat.
Elkan war der 1835 nachgeborene Sohn des Kantors und Vorsängers an der Synagoge in Treuchtlingen Wolf Elkan Naumburg. Chasan war im Prinzip ein Ehrenamt. Und aus dem Buchbinderberuf konnte der Vater wohl nicht genug verdienen, um dem letzten von vier Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Der Rat der Stadt Treuchtlingen bewilligte daher dem begabten Knaben ein Gulden pro Monat, damit er in Fürth eine Banklehre absolvieren konnte.
1850, also mit 15 Jahren, wanderte er zusammen mit der Familie seines älteren Bruders Louis Naumburg nach Amerika aus. Während Louis in die Fußtapfen seines Vater trat und Kantor und Lehrer in Philadelphia und Pittsburg wurde, trat Elkan in die Textilfabrik seines Schwagers Simon Frank in Baltimore ein. Simon stammte aus Kleinostheim und hatte Elkans ältere Schwester Fanny geheiratet. Von seinem spärlichen Verdienst sandte Elkan seiner Mutter in Treuchtlingen Geld.
Cousin jüdischer Komponist in Paris
Elkans Cousin Samuel Naumbourg – er stammt ebenfalls aus der Treuchtlinger Linie der Naumburgs – wurde übrigens Kantor in Paris und einer der bedeutendsten Komponisten des Reform-Judentums im 19. Jahrhundert neben Louis Lewandowsk in Berlin und Salomon Sulzer in Wien.
Mit 18 Jahren ging Elkan Naumburg von Baltimore nach New York. Hier gründete er eine Bekleidungsfirma, die bald zu einer der größten der USA wurde. Vor dem Hintergrund der Familientradition war der gute Konfektions-Sonntagsanzug die Spezialität des Unternehmens. 1866 heiratete er Berta Wehle.
1890 trat der älteste Sohn Walter in das elterliche Geschäft ein, nachdem er sich an der Harvard University mit cum laude graduiert hatte.
Drei Jahre später, mit 58, ging Elkan Naumburg in den Ruhestand, und auch Sohn Walter verließ das Familienunternehmen. Elkan war wohlhabend und bereits seit 1879 Direktor der Citizen Central Bank. Vater und Sohn gründeten dann 1893 als Partner das Bankhaus E. Naumburg & Co. an der Wallstreet.
Erfolg an der Wallstreet
Nach seinem Harvard-Abschluss 1898 trat auch der jüngere Sohn George Washington Naumburg in das Bankhaus ein. Man spezialisierte sich auf Geldmarktpapiere und Wirtschaftsfinanzierungen. Der Name Naumburg stand für Fähigkeit und Integrität und öffnete jede Tür. 1918 verkaufte man Investmentpapiere für 325 Millionen Dollar. Konkurrenz war nur das Bankhaus Goldman Sachs.
Trotz seiner Bedeutung wurde das Bankhaus Naumburg in dem Wolkenkratzer Wallstreet 14 Ende 1931 an Shields & Co verkauft, wohl im Gefolge der Weltwirtschaftskrise.
Bereits 1924 war Elkan Naumburg in hohem Alter gestorben. Zu seinem Gedenken fand ein Konzert statt, an dem 30 000 Leute teilnahmen. New Yorks Bürgermeister John Hylan nannte ihn einen Menschenfreund und hervorragenden Bürger. “Es war seine Bestimmung, sich um das Wohlergehen seiner weniger erfolgreichen Mitmenschen zu kümmern. Die kostenlose Musikunterhaltung und menschenfreundliches Engagement wird in der City of New York immer mit dem Namen von Elkan Naumburg verbunden sein.”
Worauf spielt New Yorks Bürgermeister da an? Nun, Elkan war schon seit frühester Jugend ein Musikfreund, auch wenn er sich manchen Konzertbesuch nicht leisten konnte. Später dann kamen in seinen Salons die berühmtesten Musiker der Zeit zusammen, wenn es jede Woche Kammermusikkonzerte gab. Er begründete ein Musik-Stipendium an Harvard und einen Pensionsfonds für die New Yorker Philharmoniker, deren Förderer und Ehrenmitglied er seit 1863 war. Dadurch verkehrte er mit berühmten Musikern wie Rubinstein und Liszt.
Noch heute Naumburg Concerts
Und 1905 begründete er eine neue Reihe von Freiluftkonzerten im Central Park, der grünen Lunge von Manhattan. Er übernahm einfach die Kosten für das Oper Air, das die New York Times 1916 erstmals als Naumburg Concerts bezeichnete. Die kostenlosen Naumburg Orchestral Concerts gibt es bis heute als Sommerkonzerte, immer noch getragen von den Nachkommen Elkan Naumburgs.
Die Musiker spielten zunächst in einem alten gusseisernen Musikpavillon. Elkan Naumburg wollte ihn ersetzen und beauftragte 1916 seinen Neffen, den Architekten William Tachau, mit dem Entwurf. Während des Ersten Weltkrieg wollte er dem Bau eines dem Vergnügen gewidmeten Objekts jedoch nicht weiterverfolgen. So wurde der “Tempel der Musik” erst 1923 fertig und geriet mit seiner halbkugeligen Gestalt zum Prototyp für Musikpavillons in aller Welt. Verkleidet ist das Bauwerk mit Kalkstein aus Indiana. Die Naumburg Bandshell hat unter anderem ein Vorbild im Pantheon in Rom. Gekostet hat sie 125 000 Dollar.
Am 29. September 1923 wurde die Bandshell mit einem Konzert eröffnet, an dem 10000 Zuhörer teilnahmen. Es endet mit einem dem 88-jährigen Elkan Naumburg gewidmeten Marsch “On the Mall” von Edwin Franko Goldman.
In der Naumburg Band Shell musizierten Irvin Berlin und Duke Ellington, hier sprach Martin Luther King. Hier wurde ein paar Tage nach seiner Ermordung im Dezember 1980 John Lennon geehrt. Und die Naumburg Bandshell überstand alle Stürme der Zeit, ja sogar das Ansinnen, sie Ende des letzten Jahrhunderts abzubrechen, nachdem sie marode geworden war. Die New Yorker verhinderten das mit großem Einsatz und 15 000 Unterschriften.
Fonds für Kinderaufbewahrunganstalt
Elkan war dankbar gegenüber seiner Heimatgemeinde, die ihm den finanziellen Grundstein für seine Ausbildung gelegt hatte. Als er mit seinem Textilhaus zu Geld gekommen war, begründete er 1887 mit 500 Mark einen Fonds zur Errichtung einer Kinderaufbewahrungsanstalt in Treuchtlingen. Am 8. Januar 1902 konnte de Bau seiner Bestimmung übergeben werden. Im Obergeschoss wurden zwei Räume für die Industrieschule verwendet.
Immer wieder übersandte Naumburg weiteres Geld; sogar während des Ersten Weltkriegs übermittelte er finanzielle Unterstützung für seine Stiftung. Gleich nach dem Krieg erkundigte er sich nach dem Schicksal der Treuchtlinger Kinder. Als er von der herrschenden Hungersnot erfuhr, schickte er umgehend 5000 Goldmark, irn Oktober 1921 erneut 50 Golddollar, das waren damals fast 10 000 Mark.
Bereits am 28. September des gleichen Jahres erhielt die damalige Gemeindeverbindungsstraße Treuchtlingen-Graben den Namen Elkan?Naumburg?Straße. Am 12. Dezember 1921 fasste dann der Treuchtlinger Stadtrat einstimmig folgenden Beschluss: “Dem Bankier Elkan Naumburg in New York wird in Anerkennung seiner Verdienste, die er sich um die Stadt erworben hat, auf Grund des Artikels 24 der Gemeindeordnung das Ehrenbürgerrecht der Stadt verliehen.”
Die Urkunde gelangte jedoch nie in die Hände des Geehrten. Das bayerische Innenministerium verweigerte die Anerkennung des Titels aufgrund der damaligen Gemeindegesetze, die ein formales Bürger? und damit ein Ehrenbürgerrecht nicht mehr vorsahen.
Das beeinträchtigte die guten Beziehungen zwischen Elkan Naumburg und der Stadt jedoch nicht. Immer wieder flossen Geldspenden nach Treuchtlingen. Der Wunsch, die alte Heimat wiederzusehen, ging für Elkan Naumburg nicht mehr in Erfüllung: Im hohen Alter von fast 90 Jahren verstarb er am 31. Juli 1924 in New York. Aus seinem Nachlass von über 100 000 Dollar erhielten zahlreiche gemeinnützige Einrichtungen Anteile. In Treuchtlingen wurden die Verwandten Naumburgs bedacht sowie die jüdische Gemeinde und das “Kinderheim” mit je 500 Dollar. Die Söhne und ein Neffe Elkan Naumburgs setzten die Spendentradition noch einige Jahre fort.
1933 wurden das Porträt des Ehrenbürgers im Haus und die Erinnerungstafel über dem Eingang des Kindergartens “aus Gründen der nationalen Jugenderziehung” entfernt, ausgerechnet die Elkan-Naumburg-Straße erhielt den Namen Adolf-Hitler-Straße. 1945 traf eine amerikanische Fliegerbombe das von dem Deutsch?Amerikaner gestiftete Gebäude. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Andenken an Elkan Naumburg wieder lebendig; die ihm ursprünglich gewidmete Straße erhielt ihren alten Namen zurück. Und in dem wiederhergestellten Gebäude wurde zunächst die Mittelschule untergebracht, später dann die Krankenhausverwaltung. Heute ist etwa dort der Haupteingang des Krankenhauses.
Jetzt kennen Sie die wahre Geschichte eines Treuchtlingers in New York.
Die Naumburg Shell Band in New York heute